Nachdem wir nun eine Sprache sprechen, die Ziele dieses Blogs und die Grundidee von Smart Home kennen, können wir mit der konkreten Umsetzung deines Smart Home starten. Fast … wir sollten noch kurz überlegen, welche Smart Home „Architektur“ wir aus welchen Gründen anstreben. Wir werden dazu den Begriff Architektur für die hiesigen Blog Beiträge definieren und unterschiedliche Ansätze bewerten.
Freiheitsgrade
Wir haben bei der Platzierung der Sensoren und Aktoren wenig Spielraum. Eine Temperatur ist am besten dort zu erfassen wo sie vorherrscht. Bei Platzierung und Umsetzung der Logik/Auswertung oder Ausführung der Vernetzung sind allerdings noch einige essentielle Design Entscheidungen offen. Diese beeinflussen wichtige Faktoren wie Aufwand, Kosten, Zuverlässigkeit, Sicherheit, …, Skalierbarkeit.
Konkret geht es bei der Architektur um folgende Fragestellungen.
- Wie werden die Sensor-Informationen zusammen geführt?
- Wie und wo werden die Informationen ausgewertet?
- Wie gelangen die Steuerimpulse zu den Aktoren?
Basis Architektur
Im Folgenden werden zwei extreme Ausprägungen überspitzt formuliert.
Dezentral
Ich kann „intelligente“ Sensoren und Aktoren einsetzen, die viele Befehle über komplizierte Kommunikationswege und Protokolle unterstützen? Wenn ich alle Information allen Teilnehmern zur Verfügung stelle und direkt bei den Teilnehmern auswerte brauche ich keine zentrale Steuereinheit?
Zentral
Ich kann „einfache“, Sensoren und Aktoren einsetzen, die eine Information über weite Stecken diskret via Spannung- und Stromwert auf einer Leitung zu einer zentralen Stelle übertragen? Wenn ich alle Information „zentral“ an einer Stelle zusammen führe kann ich dort die ganze Logik implementieren?
Dezentral vs. Zentral fokussiert in den zwei Formulierungen auf die Logik bzw. die Auswertung. Weitere Aspekte sind Vernetzung oder Versorgung.
Im Prinzip ist eine dezentrale System-Architektur tendenziell weniger abhängig von einer einzelnen Komponente und deswegen in der Regel weniger anfällig gegen Ausfälle. Eine System-Architektur mit zentraler Auswerte-Logik hat es tendenziell einfacher komplexe Funktionen zu realisieren, da alle Informationen an einer zentralen Stelle vorliegen.
Die am Markt verfügbaren Lösungen bringen stets eine spezifische Basis-Architektur mit. Diese sind im Spektrum und können nicht vollständig einer der zwei radikalen Formen zugeordnet werden. Zudem haben die Hersteller Lösungen gefunden um die Nachteile zu kompensieren. Im Endeffekt haben die Systeme sehr individuelle Vor- und Nachteile. Es gibt gute dezentrale und gute zentrale Systeme.
KNX
KNX ist ein Vertreter mit dezentraler System-Architektur. Es gibt viele „intelligente“ Teilnehmer, welche über ein Bus-Netzwerk kommunizieren. Um einem Totalausfall oder einer böswilligen Manipulation von außen entgegen zu wirken ist eine entsprechende Konfiguration der Bus Komponenten bzw. Struktur wichtig – zum Beispiel eine Topologie mit „mehrere Linien“.

Die Logik Auswertung erfolgt auf der Idee von „Botschaften“ beim Aktor oder Sensor. Über Erweiterungen (zusätzliche lokale Komponenten) können Visualisierungen und komplexe Funktionen realisiert werden.
Das KNX System ist im Betrieb sehr robust. Die Komponenten sind sehr Hochwertig. Die Funktion kann modular erweitert werden. Viele Hersteller haben entsprechende Produkte. Die Anschaffungskosten (Komponenten und Installation) sind im oberen Preissegment. Eine Installation bedingt gewisses Know How. Die Programmierung erfolgt ausschließlich über ein kostenpflichtiges Werkzeug (ETS).
Smart Home Devices
Ein Smart Device ist eine kleine Hardware mit zum Beispiel Klemme, Gehäuse, elektronischem Schalter, Speicher, Microcontroller. Diese Geräte implementieren eine Kommunikations-Schnittstelle (WLAN, …) und können damit beispielsweise bestehende konventionelle Lichtschaltungen smart machen. Die eigentliche Funktion über den Schalter bleibt in der Regel erhalten.
Der/die Shelly One ist ein solcher Smart Aktor. Dieser kann alternativ via Handy-App (Ereignis) über die Shelly Cloud (Logik) geschalten (Aktion) werden. Bei Einsatz verschiedener Shelly Smart Devices können über die Shelly Cloud komplexere Logiken implementiert werden. Dazu gibt es eine ansprechende Visualisierung und Apps für die etablierten Betriebssystem-Plattformen (Android, IOS).
Bei Ausfall WLAN, Internet oder Cloud Server kann das Licht in dem konkreten Setup über den Shelly One noch lokal geschallten werden – nicht mehr über die Shelly Cloud Funktion.
Solche System-Erweiterungen haben den Vorteil, dass sie relativ einfach in eine bestehende Installation integriert werden können. Bei der Auswahl der Komponenten gibt es größere Qualitätsunterschiede. Die Funktion kann in der Regel modular erweitert werden. Allerdings ist die Umsetzung schnell an einen Hersteller gebunden (Hue, Homematic, IKEA, Sonoff, Shelly…). Die Anschaffungskosten sind moderat.
Matter
Es gibt im Smart Home Bereich ein Zauberwort – „Matter“ (ehemals: Connected Home over IP oder kurz CHIP). Dieser Kommunikations-Standard könnte in gleichbleibend naher Zukunft die Lösung auf viele Fragen sein – nicht zuletzt in der „IoT“ Idee. Alle Devices können miteinander und sind kompatibel. Der Datenaustausch abgesichert über geeignete Verschlüsselung und Dezentralität (Blockchain). Alle Hersteller machen mit. Allen voran die ganz großen – Amazon, Alphabet, Apple, Microsoft,…. Die Connectivity Standards Alliance oder kurz CAS (ehemals ZigBee) zertifiziert und überwacht Hersteller und Produkte.
Ich denke der Standard kann den Bereich Smart Home erobern und der Standard für Vernetzung werden. Ich denke aber auch es wird noch ein paar wenige Jahre dauern bis entsprechende Produkte in allen Smart Home Gewerken verfügbar sind. Sollten die Lösungen von Beginn an signifikant Mehrwert bringen oder preislich passen, kann ich mir ein sehr schnelles Wachstum vorstellen. Für mich noch etwas unklar, welche Freiheitsgrade und Legacy Adaptions-Möglichkeiten geboten werden.
Pest, Cholera oder noch nicht da
Meiner persönliche Meinung nach decken die verfügbaren Systeme einen gewissen Bereich gut ab – haben aber Schwächen in anderen Bereichen. Für erweiterte Smart Home Funktionen (Beispiel siehe Smart Home Grundlagen (B1)), welche über die vom Hersteller oder vom Standard definierte Funktionen hinaus gehen, gibt es keine guten Lösungen am Markt.
Vermutlich auch deswegen haben sich in den letzten Jahren einige offene Lösungen etabliert (Home Assistant, IoBroker, FHEM, openHAB, … Node-RED). Es handelt sich dabei um Softwarelösungen in Form einer Server-Applikation. Installiert auf einer entsprechenden Hardware im lokalen Netzwerk implementieren diese standardisierte Schnittstellen (MQTT, …). Auf der Basis kann Smart Home Hardware verschiedenster Hersteller gekoppelt werden. Über Skripte oder weitere Software-Module können Logiken umgesetzt werden. Der weiter oben erwähnte Shelly One kann beispielsweise über MQTT ohne Cloud mit einer solchen Server Appliation verbunden und gesteuert werden. Matter kann zukünftig dabei helfen die Erweiterung und Vernetzung zu vereinfachen.

Über zusätzliche Hard- und Software können die oben aufgeführten Systeme (KNX, Hue, …) integriert werden. Es gibt für weit verbreitete Hardware (ESP 8266, ) alternative Firmware (Tasmota, ESPeasy, …) für die Integration in eine solche Lösung.
Fazit
Wir wollen unser Smart Home möglichst ausfallsicher gestalten. Die Basisarchitektur ist dabei in der Regel durch das System vorgegeben. Die eigentliche Architekturentscheidung manifestiert sich in der Auswahl des Systems. In der Folge sind beim Design wichtige Regeln zu beachten.
- Wichtige zentrale Komponenten sind möglichst robust und geschützt auszuführen – mehrere Linien, eigenes VLAN, professionelle Installation/Wartung, …, Kühlung, USV.
- Wir wollen möglichst unabhängig von einzelnen Herstellern und deren begrenzten Funktionsumfang sein.
- Es gibt zwischenzeitlich offene Protokolle, welche von Herstellern unterstützt werde. Durch alternative Firmware kann ein gutes Produkt adaptiert werden.
Eine möglichst optimale Architektur können wir ggf. erst entwerfen, wenn wir etwas Erfahrung gesammelt und einen besseren Überblick erlangt haben. Perfekt … genau was dieser Blog als Zielsetzung hat.
Habe ich ein paar Aspekte vergessen? An der ein oder anderen Stelle zu sehr vereinfacht? Sind mir Fehler unterlaufen? Kommentiere diesen Beitrag gerne und gib mir Feedback.
